Potentiale statt Probleme sehen und leben
Mal wieder eine dieser Nächte.
Johanna ist schon eine Weile Single.
Ab und an stürzt sie sich ins Nachtleben. Das klare Ziel dabei: Sexualität leben.
Als moderne Frau findet es Johanna selbstverständlich, in dieser Hinsicht initiativ zu sein und zu schauen, dass sie, wie sie selbst es ausdrückt, „sexuell nicht verhungert.“
Der Abend hatte sich gut angelassen.
Der Mann, den sie schlussendlich neben sich im Hotelbett findet, ist charmant und sieht gut aus.Der Sex ist nicht bahnbrechend, aber befriedigend. Beinahe schüchtern bittet Oliver um die Telefonnummer von Johanna.
Johanna lässt ihn einfach stehen und geht.
Es ist nicht das erste Mal, dass es so endet.
Ihre Freundin, mit der sie später telefoniert, fragt, warum sie wiederholt einer netten Story keine zweite Chance gibt.
Die Gründe sprudeln nur so aus Johanna heraus. Zum Beispiel ist Oliver einfach zu jung für sie. Ganz wichtig auch, dass letztlich doch kein Mann mit einer erfolgreichen Frau wie ihr umgehen kann.
Und außerdem sei ihr klar geworden, dass sie wirklich nicht mehr die Jüngste ist. „Ich habe mich in meiner Nacktheit gestern nicht wohl gefühlt. Um ehrlich zu sein, hatte ich Hitzewallungen. Das war mir echt unangenehm.“
Nicht zuletzt findet sie, „man kann eben nicht alles haben.“
Und sie hat eine Menge. Beruflich ist sie sehr erfolgreich mit ihrer eigenen kleinen Werbeagentur.
Sie liebt die Stadt, in der sie lebt. Ihr Freundeskreis ist stabil und besteht aus interessanten Leuten.
Johanna manövriert sich mit jeder Nacht dieser Art weiter in eine Zwickmühle hinein.
Eigentlich möchte sie gerne wieder eine Partnerschaft leben. Und gleichzeitig gibt sie dem Leben, das ihr in dieser Hinsicht durchaus Gelegenheiten bietet, keine Chance.
Es ist eine merkwürdige Sache, wie sehr wir immer wieder dazu tendieren, an Problemen fest zu halten und fast wütend darauf zu bestehen, diese und jene Lebenssituation sei nun einmal nicht zu ändern.
Es scheint uns auf eine merkwürdige Art zu gefallen, großen Wünschen und Sehnsüchten von vorne herein die Luft abzudrehen mit scheinbar ganz und gar rationalen Gründen, die jede*r nachvollziehen kann.
Ich möchte dazu ermutigen, dass wir Alarmglocken läuten hören, wenn wir uns wieder an problematische Gedankenkonstrukte klammern wie Ertrinkende an einen Rettungsring.
Besonders erfolgreiche Frauen sehen sich oftmals in einer Art Bringschuld, nach dem Motto: „Das Leben war so gut zu mir. Ich habe es so weit gebracht. Nun sollte ich mich mal zufrieden geben mit dem, was ich erreicht habe.“
Die gute Nachricht ist: Wir dürfen es getrost dem Leben selbst überlassen, wie viel oder wenig Erfüllung für uns vorgesehen ist. Meiner Ansicht nach ist es unsere Pflicht, unser volles Potential zur Blüte zu bringen und mit all dem Wunderbaren, das wir sind, zu strahlen und zu glänzen.
Zurück zu Johanna. Sie hat in ihrem Leben viel Risiko gewagt. Oft hat sich das ausgezahlt; gelegentlich ist sie auf die Nase gefallen. Sie ist der klassische Unternehmerinnen Typ, der das Risiko nicht scheut.
Es gibt sie, diese hellen Momente, in denen sie spürt, dass hinter all ihren ach so logischen Gründen, warum sie keine Partnerschaft erlebt, nichts als Angst steckt.
Angst vor Weiterentwicklung. Angst vor dem Scheitern. Angst vor dem Unbekannten.
Diese Ängste zu übergehen, wäre töricht.
Ohne, dass wir unsere Ängste anschauen, werden wir sie nicht transformieren.
Der Begriff Angst leitet sich vom lateinischen Wort “Angus” für “Enge” ab.
Insofern haben wir es bei unseren Ängsten mit chronischen oder akuten Engpässen zu tun.
Aus einem Engpass, einer Enge, können wir heraus kommen. Oftmals hilft es schon, tiefer zu atmen, um wieder weiter zu werden und mit der Angst umzugehen.
Johanna wäre nicht die Powerfrau, die sie ist, wenn sie nicht dem Rat ihrer Freundin gefolgt wäre, sich ihrem Wunsch nach „Partnerschaft“ auf einer neuen Ebene zu stellen.
Allein die Vorstellung, dass es natürlich möglich ist, einen Partner zu finden, erfüllt sie durch und durch mit Energie.
Aus „Männer können mit erfolgreichen Frauen nicht umgehen“ wird in einem nachhaltigen Prozess „Ich finde den Partner, der mit mir gemeinsam meine Erfolge feiert.“
Was potentielle Altersunterschiede betrifft, hat Johanna für sich herausgefunden, dass sie sich eher zu jüngeren Männern hingezogen fühlt. Denjenigen, die sich auf sie einlassen, zu unterstellen, sie würden sie eigentlich für zu alt halten und gar nicht wollen, dient nur wieder dazu, in ihrer Angst zu bleiben.
Johanna beginnt, nach Geschichten von Paaren zu suchen, in denen die Frau etwas oder auch wesentlich älter ist als der Mann. Was für eine Entdeckung!
Im Rückblick wird sie sagen: “Diese kostenlose Reise durch das Internet war eine der bewegendsten und tiefgreifendsten Reisen, die ich jemals gemacht habe. Ich bin gar nicht weg gewesen und kam verändert zurück.”
Und auch das versteht Johanna: Sie kann nicht auf eine erfüllende Beziehung warten und hoffen, wenn die Beziehung zu ihr selbst nicht stimmt. Sie hätte nicht gedacht, wie viel Selbstabwertung hinter ihren Glaubenssätzen steckt und ist froh, dass sie den Schritt über ihre Ängste hinaus gewagt hat.
Während eines Stadtfestes hat sie Oliver zufällig wiedergesehen. Sie hatten einen richtig tollen Abend. Diesmal hat Johanna darauf bestanden, die Telefonnummern auszutauschen. Und sie kann es kaum erwarten, zum Hörer zu greifen. Denn, wie wir uns erinnern, langes Abwarten liegt ihr nicht.